Kritik: Avatar – Aufbruch nach Pandora

Puh, was hat sich Cameron denn dabei bitte gedacht? Ich dachte ja zuerst, unsere fünf Filmfreunde hätten etwas zu hart gewertet, aber nach der gerade eben abgeschlossenen drei stündigen Eso-Beschallung der besonders eindringlichen Art, fühlt sich nicht nur mein Verstand gefickt, sondern irgendwie mein ganzer Körper verarscht.

Das Avatar – Aufbruch nach Pandora keine Arthouse-Ideale verkörpern würde war klar. Das Camerons erster fiktionaler Spielfilm seit Urzeiten aber noch nicht einmal das Zeug zu einem gut inszenierten und mit optischen Innovationen angereichertem Action-Drama für die wirklich große Leinwand hat, ist dann doch mehr als nur enttäuschend. Es beschleicht mich hier eher ein Gefühl, dass sich bei mir schon beim Konsumieren anderer Hollywood-Oberflächlichkeiten wie Fluch der Karibik 2 und Bays Transformers-Reihe in der Magengegend bemerkbar machte: das Mainstream-Hollywood-Kino mit seiner Neigung zum großen Action-Blockbuster hin ist nicht nur mehr narrativ am Ende, sondern auch optisch an einem Punkt angekommen, an dem es dem geneigten Zuschauer keinen neuen Rausch fürs Auge bieten kann.

Camerons Film kann hierfür als Paradebeispiel nicht besser sein. Die routiniert inszenierte Gut-gegen-Böse-Geschichte ist so voll gepackt mit Klischees, Archetypen und übertriebener Gefühlsdusellei, dass selbst die Ethno-Gruppe „Jünger der Natur Nordunterschleswig E.V.“ vor lauter bunten Farben und Walla-Walla-Gewändern nicht mehr wüsste, wo unten und oben ist. Es ist kurz gesagt nicht zum aushalten, wie plump Cameron hier verzweifelt versucht, das Thema Klimawandel und die damit verbundene Weigerung der Menschheit, sich mit diesem Thema ernsthaft zu befassen, in die metaphorische Ebene seines Films zu zwängen. Anstatt imposante Bilder mit eben diesem Hintergrund zu konnotieren driftet Cameron in käsige Dialoge und Landschaftspanoramen, die zwar imposant aussehen, so aber nicht mehr wirken, ab.

Dem Zuschauer wird visuell zwar einiges geboten und Avatar – Aufbruch nach Pandora erstickt den Zuschauer geradezu mit beeindruckenden Panoramen, Schlachten und Akrobatikeinlagen, es bietet aber nichts, was man auf der Leinwand  nicht schon einmal gesehen hätte. Vielleicht nicht unbedingt in dieser optischen Qualität, Dimension, Ästhetik und vor allem Perspektive sind aber altbekannte Größen. Haben wir uns in  Terminator 2 – Judgement Day noch verwundert die Augen gerieben als die fast unverwüstlich wirkende Kampfmaschiene T-1000 aus einer flüssigen Metallkugel ihren Körper formte, so erinnern uns die Raumstationen in Avatar – Aufbruch nach Pandora gelangweilt an das gut 12 Jahre alte Starship Troopers.

Spätestens hier wird dem Zuschauer dann klar, was Starship Troopers zu einem ironisch erzählten Drama über die Abscheulichkeit des Krieges und die verherrlichende Propaganda der Medien macht und warum Avatar – Aufbruch nach Pandora kein mystisch erzähltes Drama über das größte Problem unserer Menschheit im 21. Jahrhundert ist. Es fehlen die Schockmomente und das damit verbundene Staunen, das Mitfiebern und das Wegschauen.  Bei Camerons Ethno-Farce wird jede Irirtation auf den kleinsten Nennern hin destiliert. Die Dialoge sind so beliebig und langweilig inszeniert, das man irgendwann nur noch ein wohltuhendes „Bla, bla, bla“ aus den Lautsprechern zu hören droht. Die Plotstruktur ist so verhersehbar und simple gestrickt, dass selbst unter Demenz leidende Patienten keinerlei Wahrnehumgsprobleme haben dürften. Anders ausgedrückt: wer hier ernsthaft etwas zum Mitfiebern findet, der sollte sich besser von jedem Kettenkarusell fernhalten.

So wundert es dann auch nicht, dass sich die Handlung von Camerons Film schlussendlich weg von der Umweltthematik bewegt und den Fokus nur noch auf unseren Helden, Jake Sully, legt. Dessen Geschichte, deren Kernpunkt darin liegt, die Anerkennung eines fremden Volkes, der Na’vi, zu erlangen, kennen wir schon aus Costners Eso-Western Der mit dem Wolf tanzt. Und wem dieser Vergleich noch nicht ausreicht, um zu erkennen, was Cameron uns hier an Eso-Ursuppe zumutet, der soll bitteschön ins Kino gehen, sich diese lächerliche 3D-Brille über die Nase stülpen, und fühlen, wie sich sein ganzer Körper gegen diese audiovisuelle Ethno-Werbung zu wehren anfängt.

Iron Man 2 Trailer – I got the hype

Der Trailer

Yes, Scarlett Johannson und Mickey Rourke als russisches Terror-Päarchen, zwar ein bisschen viel Klischee, aber dafür passen die beiden einfach perfekt zusammen. Mehr im Trailer:

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Weitere gute Neuigkeiten

Bryan Singer dreht endlich, oder besser gesagt zum Glück, wieder einen neuen X-Men-Teil. Hoffen wir also, dass uns Zelluloid-Müll wie X-Men Originals: Wolverine niewieder auf der Leinwand besuchen werden.

Iron Man 2 - 02

Kritik – Bitch Slap

Bitch Slap 02The Story so far

Die Handlung dieses Action-Flicks der etwas anderen Sorte ist schnell erzählt. Drei sowohl optisch herzeigbare wie auch durchaus durchsetzungsstarke Frauen (Trixie, Hel, Camero) hat es auf der Suche nach 200 Millionen USD in Form von glitzernden Diamanten in irgendeine entlegene Wüßte im amerikanischen Outback verschlagen. Blöderweise sind „Diamonds“ in diesem Fall nicht „the girls best friends“ und so droht die als todsicher geglaubte Schatzsucher-Mission alsbald im Chaos zu versinken.

Es dauert genau 3 Minuten – Produzenten- und Verleiher-Logos mit eingerechnet –  danach weiß der geneigte Zuschauer von welchen Filmen sich Regisseur Rick Jacobson hat inspirieren lassen. Dominante Frauenfiguren mit sexuell extrem aufreizenden, weit ausgeschnittenen und hochgedrückten Dekoltes, ein kontrastreiches Bewegtbild, viel Blut, skurile Charaktere und eine unglaublich hanebüchene Handlung, welche zu allem Überfluss auch noch in Rückblenden erzählt werden muss, Russ Meyer hätte seine hellste Freude an diesem Filmchen gehabt.

Nur hielten die Autoren dieses Films nicht besonders viel von dem Reizthema Emanzipation. Und so kommt es, dass die fast nonexistente Handlung mit Zeitlupen ins trashig überzogenen aufgebläht wird –  irgendwie muss man ja einfach auf 90 Minuten Laufzeit kommen. So wundert es auch nicht, dass alleine die Anfangssequenz des Film, die sich nur mit dem Auftritt bzw. dem Austritt unserer drei Protagonisten aus ihrem 70er-Jahre Gefährt beschäftigt, gut drei Minuten dauert. Um das männliche Publikum aber vollends zu befriedigen brauchte es, so wohl die Einschätzung der Kreativabteilung,  noch ein wenig mehr weibliche Reize. So hätten wir u.a. anzubieten:

1.) Wet-T-Shirt-Contest in extremen Zeitlupen – Michael Bay schaut verdutzt auf

2.) eine Lesben-Szene von ungefähr fünf Minuten Länge – Michael Bay schreibt sich den Namen des Films auf

3.) einen erotischen Lapdance – Michael Bay hat sich den Namen das Films gemerkt und bekommt schweißnasse Hände

4.) einen 5-minütigen Catfight, in dem sich beide Kontrahenten sprichwörtlich die Scheiße aus der Fresse kloppen – Michael Bay läuft weinend weg, weil jemand vor ihm seinen Lebenstraum verwirklicht hat

Bitch Slap 03Female Power

Ja, der Film ziehlt auf ein männliches Publikum und dann auch irgendwie wieder nicht. Denn: alle männlichen Charaktere, jetzt einmal von Mr. Phoenix (Kevin Sorbo for the win!) abgesehen, werden als wiederliche, leicht psychopatisch und auf jeden Fall sehr sadistisch veranlagte Arschlöcher intoniert, welche geradezu danach schreien, endlich ordentlich von Camero vermöbelt zu werden. Und geprügelt wird in diesem Film außerordentlich viel. Schießlich steht Bitch Slap  im amerikanischen für einen harten Schlag mit der Hand ins Gesicht des Gegners. Schlägereien sind bei diesem Titel also eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Bitch Slap nimmt sich dabei zum Glück in keiner Sekunde seines Daseins ernst. Visuell untersützt wird dies von den unglaublich kontrastreich gestalteten Rückblenden, die allesamt vor einem Greenscreen entstanden sind und auch genau so aussehen. Da stimmen Proportionen nicht, oder es explodiert und schießt so viel wild auf der Leinwand umher, dass niemand mehr wirklich weiß, was gerade passiert.

Das alles ist irgendwie stimmig und die oben aufgezählten erotischen Höhepunkte des Films kommen immer dann, wenn die dünne Handlung droht einem so richtig egal zu werden. Bitch Slap ist ein netter Trash-Movie, der sich reichlich bei anderen Meistern dieses Faches bedient, und sicherlich kein absolut empfehlenswerter Film darstellt, selbst für Genre-Freunde nicht. Dennoch ist er so herrlich überzogen erzählt und fast ins Lächerliche fotografiert worden, dass man diesem sympatischen Stück Filmunvollkommenheit durchaus eine Chance geben sollte.

P.S.: America Olivo alias Camero häte man übrigens das Schauspielern schon gleich im Vorfeld verbieten sollen. Ihre Darbietung einer drogen- und rachsüchtigen Kampf-Amazone ist nicht mehr in einem gesunden Maß übertrieben, sondern schlussendlich nur noch peinlich.

Bitte keinen neuen Halloween-Teil mehr, danke!

H2: Halloween 2Ganz ehrlich: Mr. Tim Burton könnte als Regisseur und Drehbuchautor für einen neuen „Halloween“-Teil sein Talent opfern, es könnte Nathalie Portman die Hauptrolle in diesem Flick spielen und Robert Elswit könnte für glorreiche Bilder zuständig sein, ich würde in mir nicht anschauen, wenn man bereits im ersten Trailer das Gesicht Michael Meyers sehen könnte. Hallo? Wer kam den auf diese überhaus hirnfreie Idee? Rob Zombie? Doch bitte nicht?! Das muss, für mich als Fan des hervorragend kranken Anarcho-Schnetzlers „Haus der 1000 Leichen“, einfach irgendein Executive-Producer-Amateur gewesen sein, der zwar einen Arsch voll Kohle hat, dessen Ahnung von Dramaturgie aber  auf Amöben-Niveu dahinkriecht.

Mal davon abgesehen ist der Trailer zu lahm geschnitten, wirkt insgesamt zu hell und mag bei mir nur deshalb für Gänsehaut sorgen, weil er trotz 16mbit-DSL ewig zum Laden brauchte – was ist denn da los Apple?. Gut, Carpenter würde ich nach Desastern wie „Vampires“ oder „Ghosts of Mars“ auch nicht unbedingt einen gekonnte Wiederbelebung zutrauen, aber immerhin hat der gute Kerl eine gewissen Grundahnung, wie Grusel zu funktionieren hat. Mal davon abgesehen dürfte Carpenter mit einem gescheiten Kameramann seinen billigen 80er-Jahre-Videolook, den gerade seine Spätwerke „auszeichnete“ (besser: zerstörte), los werden. Ich schüttel derweil einfach weiter den Kopf.

Wer sich „erschrecken“ will, hier der Trailer:

Hollywoodschund im Kurzverriss

The Spirit

The SpiritEva Mendes wird als ebenso labile wie auch starke Frau dargstellt, sieht dabei auch noch verdammt gut aus und kann zumindest kurzzeitig darüber hinweg trösten, was „The Spirit“ sonst so alles fehlt:

1.) Ein charismatischer Protagonist, der die Handlung stützen könnte,
2.) ein glaubwürdig gespielter Antagonist (Samuel L. Jackson war schon einmal deutlich besser),
3.) eine nicht ganz so fade und kitschige Lovestory als Handlung,
4.) eine schlüssigere Auflösung der einzelnen Szenen,
5.) eine, wenn nicht schon lineare, dann aber wenigsten ansatzweise logische Schnittfolge,
6.) und zu guter Letzt nicht diese Geruch der Verweiflung und Fäule, der in jeder Sekunde dem Zuschauer um die Nase weht, um ihm zu sagen „Hey, ich wäre gerne so cool wie Sin City, aber es reicht leider nicht, verdammt!“

Frank Miller my Ass also. Achja, Frau Johansson ist auch ganz ansehnlich, aber das sollte nun genug Sexismus für einen Blogeintrag sein. Achja, mit meinem schlechten Eindruck stehe ich übrigens nicht alleine dar.

Underworld: Rise of the Lycans

Underworld: Rise of the LycansThe story so far: Vampire erschaffen durch Zufall eine genetische Mischung aus Vampir und Wehrwolf (Lykaner). Die Lykaner werden von Anfang an als Wachen für den Vampirclan gezüchtet und wie Sklaven behandelt. Nur der erste Lykaner bekommt eine Sonderbehandlung, da der böse Vampirclankönig irgendwie auf ihn steht (natürlich nicht sexuell und so, das sollte klar sein, wir sind hier ja nicht bei 300). Dummerweise verliebt sich die Tochter des bösen Vampirkönigs ™ in genau diesen auserwählten Lykaner und vögelt erst einmal seelenruhig mit ihm in Zeitlupen und 360°-Schwenks präsentiert in einer sehr einladenden Höhle, wovon der Vampirkönig natürlich keinen blassen Schimmer hat. Nebenbei geht es unserem bösen König ™ noch gewaltig auf den Sack, dass seine Tochter sich null für die Vampirpolitik (Menschen knechten, Land vergrößern, Wehrwölfe verjagen, grimmig schauen, nervig dahinfaseln) interessiert. Ist zwar unwichtig, sollte aber der Vollständigkeit halber hier erwähnt werden.

Wie der Titel schon erahnen lässt, geht es unserem erstgeborenen Lykaner irgendwann tüchtig gegen den Strich, dass sein Volk versklavt wird und außerdem hat der fiese Vampirlord herausgefunden, dass der Gute seine liebe Tochter schändet, oder so ählich. Who cares? Um genau zu sein, niemanden. Die Lykaner befreien sich irgendwie aus ihrem Knast und starten eine Gegenofensive, in der sie alles dahinmeucheln oder so. Hier bin ich aus dem Kino gegangen. Dümmliche Dialoge, eine Handlung, die niemanden interessiert, und ein Kameramann, der die durchschnittliche Kulisse wohl aus Berufsehre in vornehmen Schwarz verschwinden lässt, machen „Underworld: Rise of the Lycans“ zu einem sehr überflüssigen dritten Teil der bis dahin eh schon eher unterdurchschnittlichen Triologie. Also Finger weg! Wie zudem hier mehr und dort weniger eindrucksvoll belegt.

Religulous

Religulous FilmplakatGute Dokumentation fangen meistens mit einer einfachen Frage an. Bei Bill Maher, Ex-US-Comedystar und Late-Night-Talker, und Larry Charles, u.a. Regisseur der Anarcho-Psyeudo-Dokumentation „Borat, geht es ebenso simpel los. „Wie kann ein rational denkender Mensch an soetwas wie die unbeflekte Empfängniss oder schlicht  an die Existenz eines Gottes glauben?“ Diese Frage bildet das Kernthema einer Dokumentation, die mit bissigen Fragen aufwartet und sich manchmal nicht so ernst nimmt, genauso wenig, wie sie ihren Prota- und Antagonisten dabei diffamiert oder beleidigt.

Bill Maher spielt dabei den charismatischen, witzigen aber auch unbequemen Moderator durch eine religiöse Landschaft, die geprägt ist von Halbwissen, religiösen Dogmatismus und blindem Irrglauben. Im Grunde geht es Maher dabei immer um die oben schon erwähnte Ausgangsfrage. Was „Religulous“ dabei so unterhaltsam macht ist die Tatsache, dass Maher keine zufriedenstellende Antwort bekommt und seine Gesprächspartner mit einfachen Fragen schon aus dem Konzept bringt.

Natürlich haben Fragen wie „Warum lässt euer Gott Ausschwitz oder Kriege zu?“ oder „Warum sind »Du sollst Kinder nicht missbrauchen«, »Du sollst nicht foltern« und »Du sollst nicht vergewaltigen« keine christlichen Gebote? einen suggestiven Unterton. Witzig ist es trotzdem, wenn dann z.B. Mark Pryor, evangelikaler Christ und demokratischer Senator des Bundesstaates Arkansas, auf eine solche Frage sichtlich hilflos antwortet: „Um Senator zu werden, müssen Sie keinen IQ-Test bestehen.“ Auch wird demonstriert, wie auch intelligente Menschen nicht vor religiöser Blindheit gefeit sind. Während die einfach gestrikten Herren aus der Trucker-Kapelle in den ersten zehn Minuten der Dokumentation Gott hauptsächlich als Stütze in ihrem Leben brauchen und ihre Antworten in diesem Sinne meist kaum über Nullaussagen und plakatives Achselzucken hinaus gehen, zeigt sich Francis Collins, Leiter des Humangenomprojekts und zum Christentum konvertierter Atheist, bei der Frage nach Gottes Existenz ungefähr genauso hilflos in seinen Antworten. “Jesus hat es gegeben.” – “Nein, das hat es nicht.” – “Es gab Augenzeugen!” – “Keiner, der in der Bibel über ihn geschrieben hat, hat ihn wirklich gekannt”. – “Naja, die sind ja aber nur wenige Jahrzehnte von Augenzeugen entfernt.” Für einen Wissenschaftler eine durchaus fragwürdige Haltung und gar komplette Fehlinterpretation des Wortes „Augenzeuge“.

Maher trifft auf seiner religiösen Fragetour aber durchaus noch strittigere Personen. Da gibt es einen christlichen Aktivisten, der behauptet, die Bibel würde Homosexualität als unnatürlich ansehen, ein Anderer sieht sich sogar als „Reinkarnation“ Jesus´und versucht dies mit einer Argumentation zu belegen, die dermaßen beliebig ist, dass jeder Mensch auf dieser Erde ein Nachfahre Jesu`sein könnte. Mal ganz davon abgesehen, dass man unter der Reinkarnation Jesu etwas anderes versteht als das man mit ihm verwandt ist.

Maher wirft zudem einen kritischen Blick auf die Verknüpfung von Politik und Religion. Nicht zuletzt die Gotteshörigkeit eines George W. Bush fürht Mahler als Beispiel dafür an, dass Religion in der Politik keine zentrale Rolle spielen dürfe und schon gar nicht als Legitimation für politische Entscheidungen dienen darf. Er versucht dabei die scheinbar christlich motivierte Außenpolitik George W. Bushs als das hinzustellen, was sie in Wirklichkeit war: ein Misserfolg.

Von „Religulous“ darf der Zuschauer unterm Strich keine ausgewogene Expertise über den Einfluss von Religionen auf unsere alltägliches Leben erwarten. Viel mehr überzeichnen Maher und Charles alle großen Religionsgruppen als intolerant, gewaltbeherrscht und irrational. Der dabei an den Tag gelegte Dialogwitz, sowie die immanente Ironie gepaart mit einer gewissen Portion Anachrismus machen „Religulous“ zu einer unterhaltsamen, wenngleich auch tendenziösen Dokumentation. Die Quintessenz, dass religiöser Fanatismus und purer Gotteshörigkeit vor allem, aber nicht nur bei politischen Enscheidungen zu komplexen Problemen führen können gibt „Religulous“ dennoch die Berechtigung zumindest als mahnendes Exempel eine gute Figur zu machen.

It’s Highspeed baby! (35MM-Film in 350 Bildern die Sekunde)

Eine 435 kennt eigentlich jeder, der sich ein wenig mit Filmtechnik auseinander gesetzt hat. Bei 150 Bildern die Sekunde ist da jedoch Schluss. Wer früher, in rauher Vorzeit bevor eine Phantom überhaupt angekündigt wurde, mehr Bilder haben wollte, musste zu einer Photo-Sonics-Kamera greifen. Das Spitzenmodell im 35mm-Format mit rolling Shutter und gutem Bildstand war die 35MM-4EL. Eingesetzt wurde sie nicht nur für Highspeed-Aufnahmen im Film- und Werbebetrieb, sondern auch beim Militär, wo man damit z.B. den Aufprall gewisser Projektile in extremer Zeitlupenvariante aufnehmen konnte. Ursprünglich waren die Photo-Sonics auch für nichts anderes gedacht. Highspeed-Aufnahmen sehen wir heute übrigens fast täglich. Wenn z.B. in der neuen Lindt-Werbung die Schokoladentafel verführerisch in Zeitlupe aus einem Strudel von flüssiger Schokoladencreme empor steigt, dann steckt dahinter eine Highspeed-Kamera. Früher meist eine Photo-Sonics, heute die besagte Phantom HD.

Wer damals mehr Bilder wollte musste entweder auf 16mm umschwenken, oder zu einer 35MM-4C greifen. Nachteil bei der 4C ist, dass sie keinen rolling Shutter mehr besitzt und somit der Bildstand eigentlich jenseits von Gut und Böse liegen dürfte. Anders gesagt: wo bei der 4EL jedes einzelne Bild durch die Umlaufblende voneinander abgetrennt wird, wird bei der 4C das Negativ durchgängig belichtet und nur die nicht belichteten Ecken des Prismas lassen soetwas wie eine Unterteilung in Einzelbilder zu. Je nachdem, wie gleichmäßig belichtet wurde, schwankt damit der Bildstand aber extrem.

Nun aber genug meines filmtechnischen Halbwissens. Wirklich beeindruckend an einer 4EL ist nämlich nicht nur die Bilderzahl, sondern einfach wie leicht sie zu bedienen ist und wie massiv sie kunstruiert wurde. Eine Arri 435 wiegt mit vollem Magazin, Optik, Kompendium und Schärfe so um die 11 KG, bei der 4EL wiegt allein der Kamerabody ohne Magazin, Optik und dergleichen 30 KG. Mit Magazin und angebauten Motor laut Herstellerangaben sogar 45 KG. Und dann erst das Geräusch wenn 300 Meter 35mm-Film mit 350 Bildern die Sekunde vom Greifer über das Bildfenster gezogen werden. Hightech mag anders aussehen und sich auch anders anhören, trotzdem ist die 35MM-4EL ein kleines Kunstwerk für sich. Beweise? Einfach unten auf die Bilder klicken:

Einen großes Danke an dieser Stelle übrigens an einen Hamburger Kameraassistenten, der die oben fotografierte Photo-Sonics beim Bund erstehen konnte und so nett war, uns diese zu zeigen.

Auf der anderen Seite

Auf der anderen Seite- Ayten und LotteEs geht, leicht verspätet wie ich zugeben muss, weiter mit meiner kleinen Exkursion über den deutschsprachigen Film. Wer dabei natürlich nicht fehlen darf ist Fathi Akin. Der in Deutschland von immigrierten Türken geborene Regisseur setzt sich in seinen Filmen hauptsächlich mit der Wechselwirkung der beiden Länder zwischeneinander auseinander. Sein sozialer Hintergrund bestimmt also stark sein filmisches Schaffen.

Bei „Auf der anderen Seite“ ist dies nicht anders. Das Gerüst der Handlung besteht aus der zufälligen Begegnung sechs eigentlich sehr unterschiedlicher Menschen, die auf verblüffende Weise durch verschiedene Schicksale aufeinander treffen, oder dies auch nicht tun.

Akin beschäftigt sich in seinem Film mit einem vielfältigen Themespektrum. Seine Geschichte handelt von Reue, Verfolgung, Liebe, Courage und Heimweh. Er politisiert seine Charaktere nicht, sondern versucht deren Handlungen als Zusammenspiel aus Konflikt- sowie Vergangenheitsbewältigung darzustellen. Religiöse Fragen werden ebenso wie politische Themen eher am Rand behandelt. Für Akin steht die Beziehung dieser sechs Charaktere eindeutig im Mittelpunkt.

Auf der anderen Seite - Susanne und NejatDie Motive seiner Charaktere sind dabei vielschichtig und teilweise rational, meisten aber irrational begründet. Akins Grundaussage ist klar: der familiäre Zusammenhalt ist durch Extremsituation zwar temporär zerschlagbar, jedoch nicht unrettbar verloren. Der Tot wird dabei von Akin als eben solche Ausnahmesituation instrumentalisiert. So lässt der Totschlag der Geliebten (Yeter) seines Vaters den Germanistik Professor Nejat Aksu wieder nach Istambul reisen, um dort der Tochter der Geliebten das Studium zu finanzieren. Gleichzeitig treibt es die junge Studentin Lotte nach Istanbul um ihre großen Liebe Ayten Öztürk, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung inhaftiert wurde, aus dem Gefängnis zu befreien. Lotte und Nejat beiden gemein ist, dass sie sich aufgrund ihrer Entscheidung von ihren wichtigsten Bezugspersonen abgespaltet haben. Lotte kann nicht verstehen, warum ihre Mutter sie nicht bei der Befreiung ihrer Geliebten unterstützen will, so wie Nejat seinem Vater nicht verzeihen kann, dass er die Hautpschuld am Tot seiner Geliebten trägt.

Lotte wird bei dem Versuch Ayten zu helfen getöt, während Nejats Suche nach der Tochter im Sande verläuft. Beide werden ihre anfänglichen Ziele nicht erreichen können, finden jedoch in ihrer eigenen Familie trost. Lottes Mutter reist um die Beweggründe ihrer Tochter zu verstehen nach Istanbul.  Nachdem sie auf Nejat getroffen ist, bei dem Lotte in Zimmer gemietet hat, und Aytens Reue über den Tot ihrer Tochter erlebt, beschließt sie, die Mission ihrer Tochter zu Ende zu führen und entdeckt dabei die Liebe zu Instanbul und zu ihrer Tochter wieder.

Nejat, mit dem Tot Lottes zwar nur indirekt konfrontiert, wird auf einmal klar, dass  die Zeit mit seinem Vater durchaus beschränkt ist, und entscheidet sich dazu, diesen nach seiner Abschiebung aus Deutschland zu besuchen und ihm zu verzeihen.

Auf der anderen Seite - Nejat und YeterBildsprachlich verpackt Akin sein Familiendrama geschickt durch den starken Kontrast der beiden gewählten Hauptschauplätze. Die Norddeutschen Städte Kiel und Hamburg wirken mit ihren kühlen Blautönen kälter und weniger einladend als das in seichte, warme Orangtöne getaufte Istanbul. Insgesamt wirkt Istanbul so deutlich freundlicher dargestellt. Ausschweifende Naturpanoramen unterstützen dieses Gefühl zudem. Trotzdem ist Akins Präsentation mit einem geschickten Unterton gespickt. Als besondere Schlüsselszene hierfür darf die Sargüberführung der Leichen Lottes und Yeters gelten: Yeter, die ihre Heimat verlassen hat, um ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen, und Lotte, die zur Erfüllung ihrer Liebe und der eigenen Ideale auswanderte, werden in ihre ursprüngliche Heimat überführt, der sie nun aber eigentlich fremd sind. Es mag zwar vielleicht nicht Akins Intention gewesen sein, aber eben mit diese Szene stellt er den Begriff Heimat als labilen Bestandteil unseres Lebens dar, der mit unserem Geburtsland wenig zu tun haben mag.

„Auf der anderen Seite“ ist somit ein Drama, dass sich mit dem Stellenwert der eigenen Familie und dem Heimatbegriff auseinander setzt und dabei eine ebenso vielschichtige wie auch zuversichtliche Antwort zu geben vermag. Ein zuversichtlicher Film also, befreit von jedwedem Kitsch aber irgendwie auch eine Liebeserklärung an die Stadt Istanbul.