Jörg Langer sollte eigentlich über eine gewisse Kernkompetenz in Sachen Videospielejournalismus verfügen. Der gute Herr war immerhin Mitbegründer und jahrelanger Chefredakteur der GameStar und das zu ihren besseren Zeiten.
Vor ein paar Stunden (?) ging sein neues Baby ans Netz: GamersGlobal soll dabei ein „neues“, „innovatives“ Spielemagazin sein. Nicht „irgendwie Web 2.0“, sondern eher eine Bündelung aus dem eingeschränkten, aber sehr speziellen und umfangreichen Fachwissen diverser Genre-Freaks und der „Objektivität“ und „Professionalität“ gestandener Spieleredakteure. Anders übersetzt: User können ihre eigenen News, Reviews und dergleichen auf GamersGlobal online stellen, während im Hintergrund eine professionelle Redaktion die Inhalte überwacht, verbessert oder ggf. ergänzt. Damit nun nicht aber jeder Möchtegernjournalist mit seinem sprachlichen Dilettantismus die Plattform überflutet muss man sich durch das Schreiben von Kommentaren oder Forenbeiträgen Erfahrungspunkte erarbeiten. Belohnt wird man dann damit, dass man irgendwann selbstständig Artikel schreiben darf und andere User kontrollieren kann.
Mal ganz ehrlich? WTF?
Ich möchte an dieser Stelle nicht wie „SeniorGamer“ dem Projekt Ausbeutung unterstellen. Nein, jeder Möchtegernschreiberling, der sich dort anmeldet, wird vorher umfassend darüber informiert, was seine Aufgabe ist. Und das ist, um es einmal etwas harscher zu formulieren, nichts weiter also Content zu produzieren, den er wiederum aus anderen Quellen haben muss. Gerade im Newsbereich wird dies zum Fallstrick für GamersGlobal werden. Denn was fehlt jedem soeben zum Newsschreiber befördertem GG-Knecht? Genau, eine feste Redaktionanschrift, der geschulte Umgang mit Pressevertretern diverser Publisher und, last but not least, ein Namen in der Branche. Wie soll diese arme Wurst denn bitteschön eine News recherchieren, außer indem sie im Internet über die bekannten englischsprachigen Quellen surft und von dort einfach abschreibt? Genau, er kann es gar nicht anders und damit verkommt der Newsbereich von GamersGlobal zu eben dem, was man im Internet auf jeder zweiten Spielewebseite geboten bekomme: eine Zweitverwertung von IGN, Shacknews, Gamespot und Konsorten. Wow, das hört sich für mich echt innovativ an.
Darüber hinaus strotzt die Seite nur so vor Wiedersprüchen:
1. Einfache Webstandards werden nicht erfüllt: RSS-Feed? Ach, viel zu sehr Web 2.0. Multi-Browser-Kompatibilität? Pah, nutzen doch eh alle den Firefox.
2. Die erste Regel im „Wie schreibe ich eine gute News“-Leitfaden lautet „Schreib über spannende Sachen“. Was sollen bitte an Themen wie „Divinity 2: Die ersten Fertigkeiten & der Kampf als Mensch“ oder „Valve über Duke-Gerücht: „Nein, das stimmt nicht“ spannend sein? Gerade dann, wenn man wie in diesem Fall nur bekannte Newsseiten erneut zitiert, wie schon davor 4players, Gameswelt, Looki, Spieletipps.de, Demonews, ……
3. Ihr wolt euren eigenen Artikel haben, die durch das universelle Fachwissen von professionellen Spielejournalisten sowie dem spezialisiertem Genre-Wissen einzelner Freaks ihre eigene Note haben. Warum verlinkt ihr denn bitte in dieser News auf fremde Testberichte? Vielleicht, weil euer Redaktionskonzept an einem weiteren Problem scheitern wird, bekannt unter dem bösen Wort Aktualität. Wie wollt ihr im harten Videospielmarkt, in dem die meisten Abverkäufe und damit auch das größte Interesse an einem Spiel in den ersten zwei Wochen nach Release zu erwarten sind, bestehen, wenn euer Freaktester mangels Vorabrezensionsexemplar seinen Teil zum Test leider erst einen Monat nach Erscheinung des Titels beitragen kann?
4. Warum muss ich mir Erfahrungspunkte via Kommentarfunktion erarbeiten um im Forum als registrierter Benutzer posten zu dürfen? Wollt ihr lieber die Kommentarfläche unter euren Artikeln mit Nullinhalt gefüllt haben, nur damit ich mich im Forum austoben darf? Oder geht es euch schlicht und ergreifend nur darum, überhaupt Kommentare unter News wie „DeltaForce Xtreme 2 Demo und Release am 20.Mai“ zu haben? Ach, ich hab übersehen, dass es sich hierbei um eine „schöne Sammel-News samt kritischer, aber fundiert erscheinender Einschätzung“ handelt, gerade ohne die Information, dass DeltaForce Xtreme 2 „ erstmals auf DVD (Anzahl der Objekte machte dies mitunter erforderlich)“ erscheint, könnte ich jetzt nicht mehr leben. Da hat der Autor wirklich, wie auch im zweiten Punkt eures kleinen News-Leitfadens richtig erkannt, nur über „das Wesentliche“ geschrieben. DVD-Releases sind heute aber auch wirklich so exotisch, ohne diese Information wäre die News glatt wertlos.
GamersGlobal wird, und da könnt ihr mir in einem Jahr gerne auf den Sack hauen wenn es anders kommen sollte, innerhalb kürzester Zeit zu einer News-Wiederkau-Maschine mutieren, bei der unzählige Hobbyschreiberlinge einen möglichst hohen Output tagesaktueller Gaming-Unwichtigkeiten zum Besten geben werden, damit sie dann endlich den von ihnen lang ersehnten, aber jetzt leider nicht mehr sehr aktuellen Monster-Test zu „Quake Wars“ abliefen können. Der wird sicherlich fundiert und so, aber ist leider einfach mal zig Jahre zu spät dran. So wie die Macher hinter GamersGlobal eben einfach Seiten und Trends wie Gamejudge oder Gamingblogs für Hardcore-Zocker wie Polyneux, Antigames, D-Frag oder Working Title verschlafen haben. Web 0.1 geh dich Schlafen legen, aber schnell, du müffelst schon…
Bisher die beste Analyse.
Das „Titelbild“ zur zwangsläufigen Killerspieldiskussion ist mir übrigens sehr übel aufgestoßen. Warum muss ich denn schon wieder über das Bild von Tim K. stolpern? Sollte es nicht auch grade darum gehen den Tätern in der Öffentlichkeit keinen Platz mehr zu bieten? Dies ist doch eigentlich ein ganz wichtiger Punkt?! Aber nein, damit wir alle wissen worum es in dem Artikel geht, kommt in die Fotocollage zum Artikel auch das unglaublich schlimme Spiegel-Titelbild.
Sehr schöner und treffender Artikel.
ist deine meinung konrad,
ich finde dagegen das projekt sympathisch. gebt der seite zeit, ist ja alles noch am anfang.
usercontent/hobby-schreiber werden auf allen grossen seiten redigiert. das ist gang und gäbe. neulich hab ich was gebracht für eine grosse gaming seite, und der redakteur hat mich in einen briten von der sprache her verwandelt eben weil der chefredakteur brite war. beim nächsten mal wehre ich mich schon 😉
selbst exklusives zu bringen ist schwer, mir kommts auf eine gute interpretation des materials (videos etc) von grossen seiten an.
die idee das leute da mit spezialwissen schreiben sollen ist gut. vielleicht schreibe ich selber mal was da.
web 2.0 soll man auch nicht übertreiben. es gibt da soviel schlechtes, wiki deutsch über games ist zB unheimlich schlecht.
ein seitenprojekt ist wie eine kneipe eröffnen, die theorie was für musik läuft und welches publikum kommt ist da. aber was hinterher passiert ist nicht kalkulierbar.
grüsse, Badb0y
Mittlerweile ist etwas über ein Jahr vergangen und GamersGlobal hat sich prächtig entwickelt. Ich würde daher gerne das Angebot „dir kräftig auf den Sack zu hauen“ warnehmen. Alternativ wäre es zumindest ein Zeichen von Größe einen Artikel über die aktuelle Verfassung von GamersGlobal zu verfassen.
Und es dreht sich doch! Und immer noch. Und immer noch gut 🙂
@olphas, kevin: Warum sollte er das tun? Auch ich habe GG verfolgt und bis vor einigen Monaten aktiv teilgenommen. Was geht da? Das gleiche wie in den meisten Communities. Einige Leute, die sicherlich einen großen Einsatz bringen, spielen sich zum Herrscher auf und halten sich wegen ihrer Pipifax-Rechte für die tollsten. Andere – immer die Selben der nicht ganz 4000 registristrierten User (die Zahl entspricht zumindest der UserID neuerer Benutzer) – semiadulten Nachwuchsautoren finden sich in ihrem „Job“ so toll, obwohl beim tatsächlichen Informationsgehalt der News die Gefahr besteht, Pipi in die Augen zu bekommen – die größten Belanglosigkeiten der Spielegeschichte werden aus unerfindlichen Gründen zu Topnews, jedes noch so beknackte Spieleschnäppchen wird berichtet. Der Rest der News ist in der Tat, wie oben analysiert, zu 99% irgendwo abgeschrieben und hektisch noch 1-2 Quellen dazu angegeben, die optimalerweise bei einer Google-Suche herauskamen. Gähn. Dazu ist die optische Präsentation der Website immernoch irgendwo in den 90ern und weigert sich strikt, im neuen Jahrtausend anzukommen.
Das einzige, was GG meiner Meinung nach lesens- und immernoch ab und an besuchenswert macht sind die Texte der echten Redakteure, Heinrich Lenhard, Jörg Langer, Mick Schnelle, Harald Fränkel.
@olphas und kevin: ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich GG nur noch am Rande weiterverfolgt habe, und es sich meiner meinung nach nicht sonderlich weiterentwickelt hat. es gibt inzwischen zwar mehr user, mehr besucher usw. usf., aber das sollte ein jahr nach dem launch ja auch irgendwie klar sein. der user-content an sich hat sich bis auf ein paar ganz gute artikel nicht sonderlich verbessert: immer noch gibt es news mit rechtschreib- und grammatikfehlern, immer noch werden unwichtigkeiten der games-branche hochgejubelt, immer noch kommen die wirklich wichtigen artikel von der internen GG-redaktion und nicht von den usern selbst. für mich ist und bleibt GG nichts weiter als ein 08/15-Spielemagazin, wovon es am markt inzwischen mehr als genug gibt.
Warum keiner Texturenmatsch haben will! – das ist es doch, was den geneigten Gamer interessiert!
Wäre mal sehr interessant, die Gedanken, die in den oberen Artikel eingeflossen sind, noch mal zu refelektieren und daraufhin eine Bilanz zu ziehen. Meinetwegen auch der direkte Vergleich von Texturmatsch und GamersGlobal, einer Community, in der ich mich seit über einem Jahr mehr als wohl fühle und die mich bestens informiert und unterhält.
Mag sein, dass Jörg Langer und sein Online-Magazin nicht mehr den Underdog-Bonus wie Texturmatsch oder pressakey oder superlevel haben, dafür sind sie aktuell, kompetent und verfügen eine Menge bekannter Spielejournalisten, welche Artikel verfassen.
Von einem Konrad Kelch oder einem David Giess habe ich hingegen noch nie gehört… die arbeiten wohl noch dran, sich in der Szene zu etablieren…
„Dazu ist die optische Präsentation der Website immernoch irgendwo in den 90ern und weigert sich strikt, im neuen Jahrtausend anzukommen“
Heyhey, hier siehts ja auch soo viel besser aus. Die Farbwahl z.B. lässt mich erblinden.
Aber schön, hier kann man sich so richtig elitär fühlen. Auf dem Baum der Weisheit rumhängen und sich Äpfel der Erkenntnis zuwerfen. Beeindruckend. Braucht aber keiner.
So, bin dann auch schon wieder weg, auf den wirklich interessanten Seiten.
Schüühüüs